Ausschuss für Wirtschaft und Technologie erörtert Anträge der Fraktionen bezüglich der Übernahme von Energienetzen durch Kommunen. Die Linksfraktion fordert sogar die Übertragung der Netze in den Besitz der öffentlichen Hand.
In einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie wurden Anträge der SPD-Fraktion (17/3649) und der Fraktion Die Linke (17/3671) sowie um einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3182) erörtert. SPD und die Grünen befürworten die Übernahme von Energienetze durch Kommunen und wollen die Voraussetzungen hierfür schaffen. Die Linksfraktion fordert sogar die Übertragung der Netze in den Besitz der öffentlichen Hand.
Abwägen der Vor- und Nachteile
Unter den prüfenden Augen des Bundeskartellamtes wurden in den vergangenen 3 Jahren insgesamt 40 Stadtwerke gegründet, 100 Netzkonzessionen wurden von kommunalwirtschaftlichen Unternehmen übernommen. Schließlich avancieren die kommunalen Energieerzeuger allmählich zu Konkurrenten der Energiekonzerne. Einen Vorteil sieht die Wettbewerbsbehörde im Neubau von grundlastrelevanten Kraftwerken, da diese die bisherige Dominanz der großen Konzerne abmildern könnten. Andererseits warnt das Amt vor Missbrauchsmöglichkeiten bei der Berechnung der Konzessionsabgaben.
Der mit urbaner Infrastruktur betraute Robert Kösling schlägt einerseits die Schaffung von Verbundstadtwerken vor, sieht andererseits jedoch eine Gefahr für Investionen durch Gewinnausschüttungen – und zwar sowohl bei kommunalem, als auch bei privaten Unternehmen. Rechtsanwalt Christian Theobald aus der Kanzlei Becker Büttner Held hob die Möglichkeit für die Stadtwerke hervor, eigenverantwortlich für eine ebenso ökonomische wie ökologisch sinnvolle Energieversorgung Sorge zu tragen.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund) gab zu bedenken, dass die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke die finanziellen Rahmenbedingungen für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien deutlich verschlechtert habe.
Städte und Gemeinden befürworten die Dezentralisierung
Ingo Lehmann, Bürgermeister der Stadt Landsberg am Lech, zieht ein Jahr nach Übernahme des Stromnetzes für die ca. 28.500 Einwohner seiner Gemeinde eine positive Bilanz. In der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen durch die Dezentralisierung sieht er eine eindeutige Bestätigung dieses Vorgehens. Damit unterstreicht er, dass Kommunen und Träger der kommunalen Energieversorgung handelten nicht nach dem Prinzip der Rendite- und Gewinnmaximierung handelten, sondern vielmehr bestrebt seien, Einrichtungen zum Wohl des Bürgers zu unterhalten und Gewinne z. B. in Schwimmbäder und Parkgaragen zu re-investieren. Diese Einschätzung unterstützt auch der Verband kommunaler Unternehmen, der insgesamt 240.000 Beschäftigte in ca. 1.400 kommunalwirtschaftliche Unternehmen vertritt.
Bundesnetzagentur warnt vor Idealisierung
Die Bundesnetzagentur warnte indes vor einer Idealisierung. Schließlich gebe es heutzutage das ausschließliche Recht zur Versorgung innerhalb des Konzessionsgebietes nicht mehr. Die bloße Konzessionsvergabe an ein eigenes Stadtwerk böte längst nicht die juristische Handhabe, um die Durchführung von Energieeffizienzmaßnahmen, die Ausrichtung der Erzeugung oder die Gestaltung der Vertriebsprodukte maßgeblich zu beeinflussen.
Universitäten sehen keine Vorteile für Verbraucher
Professor Franz Jürgen Säcker von der FU Berlin sieht in der Rekommunalisierung keinen wirklichen Vorteil, der in eine bessere Verbraucherversorgung mündet. Er vergleicht die (Rück-)Verstaatlichung mit einer Enteignung und sieht darin eine Art Weg in den Kommunismus zu erproben, für den es aus seiner Sicht verfassungsrechtlich jeglicher Grundlage entbehre. Auch Professor Ulrich Büdenbender von der TU Dresden steht den Plänen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Das Hauptproblem bildeten die pauschale Bevorzugung örtlicher Netzbetreiber sowie die Vornahme von Rechtsänderungen im Netzbereich zur Förderung der Stromerzeugung zugunsten von der Politik präferierter Kraftwerktypen. Dies halte er gar für systemwidrig.